Herr Kollege: Heiko Flottau, freier Journalist, Kairo
Herr Flottau, wie lange berichten Sie eigentlich schon über den Nahen Osten?
Insgesamt wohl 20 Jahre.
Also vom „Nah-Ost-Virus" infiziert, denn sonst befasst sich kaum jemand solange mit dieser Region?
Das kann man so nicht sagen. Von einem Nahost-Virus kann eigentlich keine Rede sein. Dass ich zweimal nach Kairo ging, hat sich einfach so ergeben. Zweifellos aber ist die Region ein journalistisch spannendes Sujet, bei dem es unerlässlich ist, sich auch intensiv mit der Vorgeschichte der Konflikte zu befassen.
Sehen Sie, etwas platt gefragt, noch Ansätze von berechtigter Hoffnung auf eine nachhaltige Entspannung im israelisch – arabischen Verhältnis?
Ich sehe solche Ansätze nicht, besonders nicht angesichts der neuen israelischen Regierung. Auf der Friedenskonferenz von Madrid wurde 1991 beschlossen, dass Israel die 1967 besetzten Gebiete herausgibt und dafür volle Anerkennung durch die arabische Welt bekommt. „Land für Frieden hieß die Formel". Die arabische Welt hat dieses Angebot mehrfach wiederholt, auf der Gipfelkonferenz von 2002 in Beirut und in einer Anzeigenserie, welche die Palästinensische Autonomiebehörde im letzten Herbst in israelischen Zeitungen schaltete. Seitdem hat Israel seinen Siedlungsbau beständig intensiviert. Also: jenes Land, auf dem ein palästinensischer Staat entstehen soll, wird weiter von Israel kolonisiert.
Und bezüglich des israelisch – palästinensischen Konflikts?
Israel hat es, wie oben erwähnt, versäumt, den Palästinensern, damals vertreten durch die vollkommen laizistische PLO, einen Staat zu geben. Das Ergebnis ist, dass es Israel jetzt mit einer, wie sagt man im Nachrichtendeutsch, „radikal-islamischen" Widerstandsgruppe zu tun hat, der Hamas. In der PLO spielte Religion keine Rolle, einige ihrer Führer waren Christen. Die PLO war nationalistisch, wenn Sie wollen auch sozialistisch ausgerichtet. Israel hat durch seine Politik den radikalen Islam gefördert, wenn nicht sogar mit geschaffen. Als die Hamas 1967 gegründet wurde, erhielt sie von Israel Unterstützung. Israel wollte ein Gegengewicht gegen die PLO schaffen – mit fatalen Konsequenzen, wie man heute sieht.
In Ihrem soeben publizierten Buch „Die Eiserne Mauer" verneinen Sie Israels Bemühen um einen Friedensschluss mit den Palästinensern. Israels Politik würde Ihnen wohl widersprechen...
....natürlich würde Israel dieser Meinung widersprechen. Israel will Frieden zu seinen Bedingungen. Und diese Bedingung besteht in der Unterwerfung der Palästinenser.
Mit dem Titel „Die Eiserne Mauer" beziehen Sie sich auf Wladimir Jabotinsky, einen weit rechts außen argumentierenden Zionisten. Jabotinsky forderte eine militärisch gesicherte Trennung, da ein unterdrücktes Volk sich gegen dessen Unterdrückung wehre. Hat er also Recht behalten...
Leider hat er Recht behalten. Jabotinsky sprach von einer Macht, an der jeder arabische Widerstand abprallen würde. Die Zionisten müssten so stark sein, dass die Araber keine andere Wahl hätten, als das zionistische Projekt zu akzeptieren. An eine physische Mauer, wie sie jetzt fast vollendet ist, hat er nicht einmal im Traum gedacht. Seine Vorhersage ist also noch übertroffen worden – in negativer Weise.
Und Sie sagen, die Sicherheitsanlage respektive Trennmauer entspreche irreversibel den Grenzen eines allfälligen künftigen palästinensischen Staates – damit gehen Sie ziemlich weit.
Es wird keinen palästinensischen Staat geben, der diesen Namen verdient. Das Territorium dieses „Staates" ist jetzt schon von allen Seiten eingezäunt und eingemauert. Zudem ist es zerfurcht von mächtigen israelischen Siedlungsblöcken und von etwa 560 israelischen Kontrollposten, welche die Bewegungsfreiheit der Palästinenser entscheidend einengen und die Entwicklung einer funktionierenden Wirtschaft – Grundlage eines jeden Staates – verhindern.
Sehen Sie Ansätze bei der internationalen Staatengemeinschaft, dass die Politik des Wegsehens durch aktives Einmischen ersetzt wird, etwa beim Duo Obama / Clinton?
Ich nehme an, dass Obama die Situation der Palästinenser sehr genau kennt, er hat schließlich Vorlesungen des großen Edward Said gehört. Aber er muss vorsichtig sein, sonst hat er sofort die gesamte israelische Lobby gegen sich. Möglicherweise hat er Benjamin Netanjahu aber schon zu verstehen gegeben, dass er ein zweites Gaza nicht tolerieren werde. Und schließlich hat er George Mitchell zu seinem Nahost-Beauftragten gemacht, der immerhin schon vor Jahren den israelischen Siedlungsbau kritisiert hat.
Herr Flottau, schaffen wir Korrespondenten es überhaupt noch, diesen Konflikt einordnend und vielleicht sogar erklärend unseren Lesern und Zuschauern näher zu bringen?
Das habe ich mit meinem Buch versucht. Ich hoffe, der Konflikt ist dadurch für die Leser etwas transparenter geworden.
Ging denn das Interesse Ihrer Redaktionen an diesem Konflikt in den letzten Jahren nicht zurück?
Eigentlich nicht. Aber es gibt ja auch noch andere Konflikte auf dieser Welt.
Was wird Sie journalistisch besehen in den nächsten Wochen beschäftigen?
Es wird in Deutschland einige Lesungen aus meinem Buch geben. Und dann werde ich 70 Jahre alt. Wenn sich noch ein Palästinaprojekt ergeben sollte, würde ich nicht Nein sagen.
ich weiss nicht, ob er diese eigenschaften schon hatte, als er in den nahen osten kam, oder ob er sie sich hier aneignete.
von jemandem, der seit mehr 20 jahren hier lebt, bzw sich mit der region beschaeftigt, wuerde ich mir etwas mehr sach- und faktenkenntnis erhoffen.
die formel "land fuer frieden" spricht er an und unterschlaegt dabei, dass diese formel verlangt, dass die palaestinenser den terrorismus einstellen. dies ist bislang nicht geschehen.
mit seinen aussagen suggeriert er, dass der siedlungsbau das problem sei. jedoch gab es schon vor 1967 (also vor der eroberung des westbank) immer wieder terroristische anschlaege auf israel. samir kuntar ist ihnen dabei bestimmt ein begriff.
interessant ist hierbei auch, dass arafat die PLO (die bewegung zur befreiung palaestinas) 1964, also 3 jahre vor der besetzung der westbank gruendete.
war er hellseher?
oder geht es der PLO evtl um die befreiung des britischen mandats?
er sagt, israel "habe den radikalen islam geschaffen".
bitte? hat er sich jemals schriften von al-wahab zu gemüte gefügt?
dieser vor 200 jahren. wie solle israel diesen radikalen islamismus geschaffen haben?
er sagt, es wird keinen palaestinensischen staat geben, der diesne namen verdient.
vielleicht sollte er sagen, es wird nicht noch einen palaestinensischen staat geben, der diesen namen verdient.
de facto gibt es schon einen palaestinensischen staat. der heisst nur jordanien.
70% der jordanier sind palaestinser. jordanien macht einen grossteil des historischen palaestinas aus.
dass die palaestinenser dort von einer hashemitischer monarchie, die ihre macht auf die 30% beduinen stuetz regiert werden, koennte man durchaus kritisieren.
und dann bringt er edward said ins spiel. edward said ist nicht historiker sondern philosoph. seine historischen arbeit (orientalism) wurde von namhaften historikern verrissen. der vorwurf geht soweit, dass saids arabischkenntnisse ungenuegend sind, er quellen schoent bzw einseitig nutzt und von der materie schlicht und ergreifend keine ahnung hat.
eine vorlesung bei said besucht zu haben ist keine guetesiegel sondern eher disqualifikation.
Mittwoch, 13. Mai 2009 um 16:52 >> antworten
zu "fakten" - wie sie das nennen - kann sich jeder ein eigenes bild machen. etwas mehr sinn für realitäten und etwas weniger ideologie würde ich mir jedoch insbesondere erhoffen, wenn es um jordanien als "palästinenser-staat" geht: diese vor allem vor rechtsaussen politisierenden vorgetragene position verneint ja die zweistaaten-lösung, und damit den anspruch der palästinenser auf einen eigenen staat -- ist es das, werter salomon, was sie unter einer vision für den nahost-konflikt sehen?
Mittwoch, 13. Mai 2009 um 19:27 >> antworten
Dass Jordanien der "Palästinenserstaat" zu sein habe, ist eine Idee Sharons. Dass die Bevölkerung Jordaniens zu etwa zwei Dritteln aus Palästinensern besteht, ist eine Folge in erster Linie des Krieges von 1948 und der zionistischen Landnahme und der Vertreibung durch die israelische Armee (Siehe die Buecher von Ilan Pappe und Benny Morris und vielen anderen). Wollen Sie die Palästinenser der Westbank jetzt nach Jordanien vertreiben ?
Im übrigen: der PLO Delegierte Haider Abdel Shafi hat auf der Friedenskonferenz von Madrid 1991 vorgeschlagen, einen Palästinenserstaat mit Jordanien zu konföderieren.
Warum ist Israel auf dieses fast ideale Angebot niemals eingegangen?
Montag, 18. Mai 2009 um 16:32 >> antworten
Die sog. gemäßigte PLO selbst verhält sich nämlich sehr widersprüchlich. Es kommt immer darauf an, wer da gerade spricht. Abbas Zaki, sagte dann auch Anfang Mai, dass die Zwei-Staaten-Lösung zu einem Zusammenbruch von Israel führen werde.
Der Einsatz von Waffen werde keine Lösung bringen, aber politische Verhandlungen ohne Waffeneinsatz würden ebenso erfolglos bleiben. "Angesichts der Schwäche der arabischen Welt und in Anbetracht der Tatsache, dass die USA die Welt kontrollieren, geht die PLO schrittweise vor, ohne dabei ihre Strategie zu ändern." Mit Allahs Hilfe, so träumt er "werden wir sie aus ganz Palästina vertreiben".
Dienstag, 19. Mai 2009 um 17:14 >> antworten
das setzt aber voraus, dass er diese kennt, bzw. anerkennt.
das darfst du durchaus auch als kritik gegenueber dir verstehen.
es kann durchaus moeglichsein, dass rechte politiker (in deutschen/schweizerischen kontext waere wohl "konservativ" das passendere attribut) die position von jordanien als palaestinenser staat vortragen.
und?
dann haben sie hier eben eine position, die mit den fakten übereinstimmt.
70% der jordanier SIND PALAESTINESER.
30% der jordanier SIND BEDOUINEN.
die fuehrung ist eine hashemitische familie, die aus saudi arabien kommt.
das sind fakten und die koennen sie jederzeit ueberpruefen.
nun heisst jordanien nicht palaestine.
trotzdem liegt jordanien auf dem gebiet, das frueher palaestina genannt wurde.
auch israel liegt auf diesem gebiet.
allerdings macht jordanien etwa 70% dieses gebietes aus.
israel (+ westbank und gaza) dagegen nur etwa 1/5.
mir geht es mit der position von jordanien gar nicht um die negierung eines palestinensischen staates.
obwohl es diesen ja schon gibt.
wie soll ich eigentlich einen solchen negieren, wenn ich gerade sage, dass es ihn gibt.
aber nein, ich denke nur, dass es politisch und oekonomisch und auch militaerisch sinnvoller waere, die westbank wieder an jordanien anzugliedern, so war es 48 bis 67.
ein weiterer sehr kleiner palaestinensischer staat in der westbank halte ich in diesem zusammenhang für wenig sinnvoll.
die frage ist allerdings, ob die plaestinenser in jordanien die palaestinenser in der westbank wollen.
man munkelt, die wollen sie nicht, weil sie nur probleme machen wuerden.
Samstag, 16. Mai 2009 um 10:27 >> antworten
Ueber 50% der in Jordanien lebenden Personen dürften Palästinenser sein. Nur: woher stammen diese Palästinenser? Richtig, es handelt sich zumeist um Nachkommen der Flüchtlinge, die nach den 1948er und 1967 Kriegen fliehen mussten.
Salomon, Fakten hin und her wummen übertüncht nicht, dass die „Jordan-Option“ primär einmal Ausdruck von Ideenlosigkeit und fehlendem Respekt ist – Visionen würde man das wohl nennen. Die „Jordan Option“ würde das jordanische Regime destabilisieren – ist das im Interesse Israels? Und das tantra-ähnliche Wiederholen dieser alleine aus diesem Grund realpolitisch besehen unrealistischen Option macht schon gar nicht wett, dass dadurch der ganze mittlere und nahe Osten in Flammen aufzugehen droht – interessiert das Israel nicht?
Und: warum taucht die „Jordan Option“ jetzt wieder auf und es spricht in Israel so gar niemand über die arabische Friedens-Initiative? Weil nicht Israel die Spielregeln diktiert, weil der status quo, das Aussitzen der Situation den kurzfristigen Interessen eher entspricht?
Oder interessiert primär einmal die Frage, wie der Annäherungsprozess - was ja von der rechts-aussen (und längst nicht beschönigend als konservativ zu bezeichnenden) Regierung Israel schon fast als Schimpfwort genutzten Zwei-Staaten-Lösung gleichgesetzt werden kann - zwischen Israel und den Palästinensern gestört oder, noch besser, gestoppt werden kann?
Samstag, 16. Mai 2009 um 11:45 >> antworten