Israels Innenminister Meir Shitritt – wohl nicht das, was man einen Hinterbänkler in der Regierung Olmert nennen kann – brachte am Sonntag wieder einmal die Dinge auf den Tisch, die der amtierenden Regierung so am Herzen liegen. Nachdem zwei Jugendliche bei einem Raketenangriff auf die israelische Stadt Sderot schwer verletzt worden sind – einem Achtjährigen musste in der Folge ein Bein teilweise amputiert werden – befasste sich das Kabinett in Jerusalem mit Gaza: Israel müsse in jener Zone, in der Palästinenser Raketen abfeuerten, „gründlich aufräumen.“ Ein Teil Gazas müsse „von der Landkarte getilgt“ werden. Andere Minister sprachen sich für die Tötung führender Hamas-Politiker aus. So sei der ehemalige Ministerpräsident Hanija ein "legitimes Ziel".
Fassen wir zusammen: Gaza teilweise platt walzen und Hamas-Politiker ermorden.
Was aber ist dieses Gedankengut den Journalisten in den guten Redaktionstuben an Platz Wert:
NZZ:
38 Zeilen Meldung
Basler Zeitung:
10 Zeilen
News:
9 Zeilen
Tages-Anzeiger:
7 Zeilen
Aargauer Zeitung:
5 Zeilen
Walliser Bote:
18 Zeilen
Etwas ausführlicher die deutschen Kollegen: Die „Süddeutschen Zeitung“ bringt zwar eine Agenturmeldung, die aber immerhin noch einigermassen ausführlich abgedruckt. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ" meldet sich der Korrespondent in einem Artikel zu Wort: „Ministerpräsident Olmert (...) verwies am Sonntag im Kabinett darauf, dass in den vergangenen Monaten durch die "aggressiven, machtvollen und umfassenden Operationen der Armee und der Sicherheitskräfte" etwa 200 "Terroristen" getötet worden seien. Die jüngsten Kassem-Angriffe seien eine Reaktion darauf. Er gestand aber ein, dass israelische Militäraktionen bisher mehr Angriffe zur Folge gehabt hätten.“
Und die Israeli?
Lassen wir den einflussreichsten Kommentator Israels zu Wort kommen: Nahum Barnea meint in der heutigen Ausgabe der landesweit mit Abstand auflagenstärksten Zeitung "Yediot Ahronot":
„Eine Regierung, die ihre Bevölkerung dieser Art von Abnutzungs-Krieg aussetzt, ist es nicht würdig, im Amt zu bleiben. (…) Vielleicht sind wir verdammt dazu, beides zu tun: Hamas zu bekämpfen und mit ihnen zu reden. Die Frage ist primär, was zuerst kommt.“
Ja liebe Kolleginnen und Kollegen an den Sonntags-Desks: so hätte man’s auch machen können.
Kommentare
Nadine:
Wenn ich mich da an die heilige Empörung der Schreiberlinge erinnere, als Ahmadinedschad genau diese Formulierung untergeschoben wurde... Und was war er nicht alles deswegen: Adolf Hitler, der Teufel und überhaupt. Einer, den man angesichts seines eliminatorischen Judenhasses mitsamt seinen Landsleuten mit Bomben in die Luft jagen müsse, bevor er seine gräßlichen Fantasien wahrmacht.
Und hier?
Schweigen im Blätterwalde.
Peinlich, peinlich. Sowohl für die Medien als auch für Israel.
Mein Gott, von PR verstehen die Jungs auch nicht mehr das gleiche wie früher.
Für einen Menschen mit moralischem Anspruch ist es in diesem Konflikt unheimlich schwierig, zwischen (eher) gut und (eher) böse zu unterscheiden.
Durch das Machtgefälle zwischen dem isolierten Gazastreifen und Israel wird die Situation nur noch verzerrter. Es ist schon fatal, wie total der Gazastreifen von Israel abhängt. Trotzdem (oder gerade deswegen?) hat es auch die Hamas immer versäumt, auf einen der seltenen Schritt Israels Richtung Versöhnung mit etwas anderem als neuen Rache-Forderungen und Drohungen zu reagieren. Derweil stossen die israelischen Minister immer wieder neue Drohungen aus, wobei sich der Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser mit seinen harten Worten jeweils besonders hervorhebt.
Dass sich sich Schweizer Presse nicht stärker mit den sehr bedenklichen Worten aus Israel auseinander setzt - könnte das vielleicht mit einer gewissen Ermüdung der Presse zu tun haben? Die markigen Worte, Drohungen und falschen Versprechen von beiden Seiten bilden ja seit Jahren einen Teufelskreis.
Um so froher bin ich über diesen Blog, der direkt und auch bemerkenswert aktuell von den Entwicklungen berichtet. Vielen Dank, André, bitte mach weiter so
Donnerstag, 14. Februar 2008 um 10:19 >> antworten
Und hier?
Schweigen im Blätterwalde.
Peinlich, peinlich. Sowohl für die Medien als auch für Israel.
Mein Gott, von PR verstehen die Jungs auch nicht mehr das gleiche wie früher.
Dienstag, 12. Februar 2008 um 13:31 >> antworten
Durch das Machtgefälle zwischen dem isolierten Gazastreifen und Israel wird die Situation nur noch verzerrter. Es ist schon fatal, wie total der Gazastreifen von Israel abhängt. Trotzdem (oder gerade deswegen?) hat es auch die Hamas immer versäumt, auf einen der seltenen Schritt Israels Richtung Versöhnung mit etwas anderem als neuen Rache-Forderungen und Drohungen zu reagieren. Derweil stossen die israelischen Minister immer wieder neue Drohungen aus, wobei sich der Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser mit seinen harten Worten jeweils besonders hervorhebt.
Dass sich sich Schweizer Presse nicht stärker mit den sehr bedenklichen Worten aus Israel auseinander setzt - könnte das vielleicht mit einer gewissen Ermüdung der Presse zu tun haben? Die markigen Worte, Drohungen und falschen Versprechen von beiden Seiten bilden ja seit Jahren einen Teufelskreis.
Um so froher bin ich über diesen Blog, der direkt und auch bemerkenswert aktuell von den Entwicklungen berichtet. Vielen Dank, André, bitte mach weiter so
Donnerstag, 14. Februar 2008 um 10:19 >> antworten