Das korrumpierende Schweigen
Es war absehbar.
Die totale Nachrichtensperre über die Verfahren gegen zwei Journalisten wird aufgehoben, nachdem ausländische Blogger und im Nachgang ausländische Zeitungen breit berichtet haben: Die unter Hausarrest gestellte Journalistin Anat Kamm wird des Geheimnisverrats bezichtigt, soll die Staatssicherheit ernsthaft bedrohen. Ebenso der nach England geflohene Haaretz – Journalist Uri Blau. Blau hatte über die gezielte Tötung von Extremisten durch die israelische Armee berichtet, basierend auf vertraulichen Dokumenten, die ihm Kamm offenbar zugespielt hatte.
Sämtliche Artikel Blaus waren der Militärzensur vor Publikation vorgelegt und von den Zensoren akzeptiert worden. Kamm soll um die 2.000 klassifizierte Militärdokumente kopiert (2.000 Dokumente - und keiner merkt das?) und aus den Büros eines Generals entwendet haben - keinen hat's offenbar so sehr gestört, dass je von einer wirklichen Bedrohung die Rede war, geschweige denn von einem Akt der Spionage.
Kaum ist jedoch die Nachrichtensperre aufgehoben, sind die Journalisten Blau sowie Kam mitsamt der Zeitung Haaretz zum Abschuss freigegeben. Die grösste israelische News-Plattform Ynet spricht kurzerhand von der „Spion- Soldatin“, ein Kolumnist beschuldigt sie gar, das Leben von israelischen Soldaten aufs Spiel zu setzen. Das entspricht ziemlich wörtlich der Interpretation der Dinge durch den Chef des Shin Bet, des israelischen Inlands-Geheimdienstes. Und wie die Stimmung im Lande aussieht, lässt sich anhand der Talkbacks erahnen.

Wer's wirklich wissen will: In Facebook- Gruppen wird gewerweist, ob Kamm gehängt, oder nicht besser auf den elektrischen Stuhl geschickt werden soll.
Auch die Politik mag sich nicht zurückhalten: Der Parlamentsabgeordnete Israel Hasson forderte die Haaretz - Leserschaft auf, seinem Beispiel zu folgen und ihr Zeitungsabonnement zu kündigen. Denn, so Hasson, die Zeitung habe die nationale Sicherheit beschädigt und Israels Kinder gefährdet. Uebrigens: Hasson ist ein ehemaliger Vize des Shin Bet.
Die nicht bestrittene Tatsache, dass die israelische Armee im Widerspruch zu einem Beschluss des Obersten Gerichtshofs gezielt palästinensische Extremisten getötet hat, obwohl deren Verhaftung möglich gewesen wäre, diese Tatsache wird gar nicht erst thematisiert. Das - und nichts anderes - war allerdings der Inhalt des Artikels, der letztendlich den nachdenklich stimmenden Skandal ausgelöst hatte.
** "Vergessen", dass ein gewisser Benyamin Netanyahu 1995 ein als "top secret" klassifiziertes Dokument einem Journalisten zuspielte, um so Israelisch Syrische - Friedensverhandlungen zu torpedieren. -- Verhandelt wird bis heute nicht, und der "Spion- Politiker" amtiert heute als Premierminister Israels
** "Vergessen", dass der damalige Chef des militärischen Geheimdienstes, Eli Zeira, systematisch und während Jahren klassifizierte Informationen weitergab - was unter anderem zum Tod eines Mossad- Agenten führte. Was mit Zeira dem "Spion - Spion" geschehen ist? Nichts
** "Vergessen", dass die Nummer zwei des Auslandsgeheimdienstes Mossad, N., zum Rücktritt "eingeladen" wurde, da er sich mit einem Journalisten getroffen, und diesem Informationen zugespielt haben soll. Die in einem internen Verfahren gegen den "Spion - Mossad- Top- Mann" zusammengetragenen Informationen wurden nie der Polizei oder Generalstaatsanwaltschaft übergeben
Lediglich noch entlang der jeweiligen ideologisch verbrämten Schützengräben wird geschossen - Debatte, Diskussion, Auseinandersetzung gibt es kaum mehr. Oder wie Kollege Yves Kugelmann es sehr viel eleganter formuliert in seinem überaus lesenswerten Mahnruf: "Wenn Dogmen die Debatte ersetzen, die Stagnation den inneren Zerfall ankündigt und Judentum nicht mehr zugelassen wird."
1967 habe der israelische Philosoph Yeshayahu Leibowitz prophezeit, Israels Besatzung werde das Land korrumpieren und in einen „Shin- Bet- Staat“ verwandeln, schreibt Kollege Akiva Eldar.
Spätestens im Jahr 2010 wird es Zeit, sich ernsthaft Sorgen zu machen.
Montag, 12. April 2010 um 07:39 >> antworten
Montag, 12. April 2010 um 11:35 >> antworten
Montag, 12. April 2010 um 22:14 >> antworten