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Leben und Arbeiten im Nahen Osten:
Herr Marty , Sie waren Italien-Korrespondent für das Schweizer Fernsehen. Was hat Sie dazu bewogen, vor knapp vier Jahren nach Israel zu gehen?
André Marty : Die Italien-Bericht- erstattung ist primär Berlusconi, Papst, Berlusconi ... Anfangs ist das sehr spannend, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man eine neue Herausforderung sucht. Der Wechsel war von aussen besehen ein bisschen gar drastisch, aber mir liegt dieser hochpolitische Journalismus.
War Ihre Frau von Anfang an einverstanden gewesen, Sie nach Tel Aviv zu begleiten?
Marty : Das Ganze ist ein Familienprojekt, das wir uns ausgiebig überlegt haben. Meine Frau und ich sind zuerst einmal nach Israel geflogen, um zu sehen, wie wir in einer solchen Umgebung funktionieren. Und es war, wie man es sich vorstellt: Wir verliessen den Flughafen, und es knallte - ein Selbstmordattentäter hatte sich in Jerusalem in die Luft gejagt. Damit erlebten wir eins zu eins, wie wir in dieser Situation reagieren. Erstaunlicherweise blieben wir beide ruhig.
Haben Sie nie Angst, dass etwas passieren könnte?
Marty : Sicherheit ist etwas sehr Subjektives. Wenn man sich ständig bedroht fühlen würde, wäre das nicht der richtige Job. Aber glauben Sie mir: Die Lebensqualität in Tel Aviv ist gewaltig. Es gibt ganz tolle Bars, Mode und Kultur. Wir konnten beispielsweise auswählen, in welche Kinderkrippe wir unsere Tochter bringen.
Spricht aus Ihnen Resignation, wenn Sie sagen, dass es im Moment keine Lösung für Israel und Palästina gibt?
Marty : Eine Lösung - ich spreche hier von einem überlebensfähigen palästinensischen Staat, in dem man ein einigermassen menschenwürdiges Leben führen kann, Seite an Seite mit Israel - sehe ich nicht. Möge ich mich täuschen, aber ich bin leider nicht der Einzige, der das so sieht. Im ganzen Konflikt herrscht eine enorm destruktive Dynamik mit vielen Emotionen auf beiden Seiten.
Wie schliessen Sie denn Ihre persönlichen Emotionen aus?
Marty : Der Aggressionspegel im Alltag ist sehr hoch. Deshalb muss ich mich als Journalist abgrenzen. Ich habe einen Informationsauftrag, der in der SRG-Konzession definiert ist. In diesem Rahmen kann ich versuchen den Menschen via Fernsehen einen kleinen Denkanstoss zu geben.
Anders gefragt: Wie schalten Sie ab, verarbeiten Sie Gesehenes?
Marty : Ich versuche, immer wieder die Region zu verlassen, etwa für ein längeres Wochenende; so kann ich mich ganz gut entspannen. Zudem beteiliche ich mich an der Organisation Dart «centre for journalism and trauma», in der Kriegs- und Krisenjournalisten Gedanken austauschen. Zudem habe ich fixe Rituale. Wenn ich etwa aus Gaza zurückkomme, brauche ich einen Tag Ruhe. Es braucht Zeit, bis sich die ruppigen Bilder gesetzt haben.
Kontraste im arabischen Raum
Unsere nächste Tagblatt-Leserreise führt in die arabische Welt: nach Jordanien, Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Oman. Prominenter Begleiter ist André Marty, Nahost-Korrespondent des Schweizer Fernsehens.
André Marty, Sie leben in Tel Aviv und berichten für das Schweizer Fernsehen über die Geschehnisse im Nahen und Mittleren Osten. Leben Sie gefährlicher als andere Auslandkorrespondenten des Schweizer Fernsehens?
André Marty: Sicherheit ist ein subjektives Gefühl. Insofern würde ich mich nicht als bedrohten Journalisten beschreiben. Natürlich kann es zu brenzligen Situationen kommen – etwa während des israelisch-libanesischen Krieges vom Sommer 2006 oder den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militanten der Hamas- und der Fatah-Bewegung im Gaza-Streifen. Man kann aber die Risiken durch seriöse Planung und Vorbereitung auf ein weitestgehend kalkulierbares Mindestrisiko beschränken.
Man sieht Sie in der «Tagesschau» oder im «10 vor 10», wenn Wahlen sind oder wenn es zu Zwischenfällen im Nahen Osten kommt. Ist es nicht zermürbend, nie über Positives berichten zu dürfen?
Marty: Es ist tatsächlich so, dass der Nahe Osten meist als sogenannte Krisen- oder gar Kriegsregion wahrgenommen wird. Dazu trägt die Medienberichterstattung durchaus ihren Teil bei. Aber es wäre vermessen zu behaupten, es gäbe keinen normalen – eben gerade nicht durch Konflikte geprägten – Alltag. Das versuchen wir Korrespondenten ja wenn immer möglich auch abzubilden. Und es könnte ja sein, dass viele ausserhalb des arabischen Raumes diese Gegend mit einer Art gefärbter Brille wahrnehmen wollen; was haben wir im Nachgang zu den Terroranschlägen von 9/11 nicht alles an abstrusen Attacken gegen die arabische Welt hören und lesen müssen. Diese teilweise etwas gar vereinfachende Sicht des Nahen Ostens ist halt auch ein bisschen mit einem geistigen Réduit zu vergleichen. Ansonsten müsste ja gar eine Revision der unzähligen Klischee-Vorstellungen über den Nahen Osten vorgenommen werden…
Der Westen, vorwiegend die USA, greifen mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln immer wieder in die Geschehnisse im Nahen Osten ein. Werden die aussenstehenden Mächte wie die USA oder etwa die EU den Nahen Osten zur Ruhe bringen können?
Marty: Es fällt sehr schwer zu glauben, die Kriegsparteien im israelisch-palästinensischen Konflikt könnten sich aus eigener Kraft zu einer langfristig wirklich funktionierenden Annäherung durchringen. Die Interessen der amtierenden Politiker driften zu weit auseinander, die realpolitischen Spielräume sind sehr beschränkt. Insofern dürfte der Druck von aussen tatsächlich eine der wenigen Möglichkeiten sein, etwas Stabilität in die Region zu bringen. Wobei es gleich mehrere «Aber» anzufügen gäbe: Wie nicht nur das Irak-Desaster zeigt, ist die amerikanische Demokratisierungs-Welle des Nahen Ostens nicht gerade eine vom Erfolg verwöhnte Strategie – um es dezent zu formulieren. So liegt die Priorität der US-Nahostpolitik im Moment offensichtlich nicht beim engeren Nahost-Konflikt, also dem israelisch-palästinensischen Krieg. Vielmehr wird die US-Aussenpolitik weitgehend durch die Frage dominiert – oder möglicherweise gar blockiert –, wie sich die Alliierten einigermassen geordnet aus dem Irak-Schlamassel zurückziehen könnten. Zudem gibt es Stimmen im Nahen Osten, die von einer Verselbständigung des israelisch-palästinensischen Konflikts reden. Das heisst, dieser Konflikt spielt realpolitisch längst nicht mehr solch eine wichtige geopolitische Rolle, die wir Medienschaffenden ihm zumindest teilweise noch zumessen.
Sie begleiten eine Tagblatt-Leserreise durch Jordanien, nach Bethlehem und einige reiche Staaten am Persischen Golf. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Reise durch ruhige politische Gebiete führt.
Marty: Als wir – meine Familie mitsamt einer drei Monate alten Tochter – vor gut drei Jahren in den Nahen Osten umgezogen sind, schüttelten viele den Kopf. Heute, nach regelmässigen Reisen durch diese Länder, kann ich Ihnen sagen: Meine Frau fühlte sich während dieser Zeit kein einziges Mal bedroht oder unsicher. Wir führen ein völlig normales Leben, wie man es in St. Gallen, Zürich oder sonstwo führen kann. Es ist ja nicht so, dass wir abends in einen Bunker robben oder ständig mit kugelsicherer Weste herumlaufen…
Weshalb ist das Gefälle zwischen Arm und Reich in diesen Gegenden so viel grösser als bei uns in Europa? Hat es nur mit dem Öl zu tun, dass einige in Baracken leben, andere goldene Wasserhähnen haben?
Marty: Das wirtschaftliche Gefälle ist in der Tat enorm, vor allem wird es halt sichtbarer als in anderen Gegenden der Welt. Aber noch einmal: Unsere Klischee-Vorstellungen etwa, beim Zauberwort Öl, entsprechen nicht immer den Realitäten. Natürlich brachten die Bodenschätze Gas und Öl einige Stämme und Herrscherhäuser zu unbeschreiblichem Reichtum, den in den 80er- und 90er-Jahren nicht wenige Mitglieder dieser Clans schamlos zur Show gestellt haben. Und Sie spielen zu Recht auf die drastischen Entwicklungsrückstände vieler arabischer Staaten an; eine der inner-arabischen Debatten ist exakt diese Frage, weshalb die arabische Welt den kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anschluss an den sogenannten Westen weitgehend verloren hat. Wenn Sie aber die Golf-Staaten besuchen, werden Sie feststellen, dass diese Gebiete nicht einfach stillstehen, sondern mit beeindruckenden Visionen aufwarten. Visionen, die auch umgesetzt werden – und das mit für Schweizer Verhältnisse als traumhafte Tempi zu beschreibender Effizienz.
In Jordanien besuchen wir unter anderem das Unesco-Weltkulturerbe in Petra – ein Must für jeden Reisenden. Wo liegen für Sie persönlich die Reize Jordaniens für einen Besucher aus der Schweiz?
Marty: Jordanien scheint mir ein gutes «Einsteiger-Land» zu sein. Wer sich der arabischen Welt annähern möchte, kriegt hier quasi eine Soft-Ladung verpasst an arabischer Gastfreundschaft, als moderat zu bezeichnenden Islam und meist funktionierender Infrastruktur. Gleichzeitig aber ist das Königshaus an seinem Machterhalt interessiert, was – im Unterschied zu anderen arabischen, als Diktaturen zu bezeichnende Staaten – auf relativ moderate Art und Weise geschieht.
Bahrain, Abu Dhabi und Dubai sind neben Oman Stationen der Kreuzfahrt. Wir verbinden diese Orte mit der Vorstellung, dass mancherorts «Manhattan» in die Wüste gebaut wird. Gleichen sich diese drei Städte oder gibt es Unterschiede?
Marty: Diese Destinationen unterscheiden sich erheblich, nur schon von ihrer geographischen Grösse und ihrer wirtschaftlichen Positionierung her. Shopping-Freaks werden in Dubai auf ihre Rechnung kommen, das ist gar keine Frage. Oman dürfte eher Geniesser von Ruhe und endlosen Wüsten-Freuden ansprechen.
Gibt es dort auch noch traditionelle Suks und lohnt sich das Shopping?
Marty: Suks, seis für Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände, finden Sie in schier jedem arabischen Viertel. Also braucht sich niemand Sorgen zu machen um verpasste Einkaufsmöglichkeiten. Etwas konkreter würde ich hingegen die Suche nach spezifischen Antiquitäten planen – auch das kann sich lohnen.
Sie haben mit dem Veranstalter der Tagblatt-Leserreise vereinbart, dass Sie unseren Lesern Hintergrundinformationen zum Nahen und Mittleren Osten geben und gemeinsam versucht wird, die Geschehnisse besser zu verstehen. Wie schaffen wir das?
Marty: Wir werden an den diversen Orten skizzieren, was sich heute abspielt und wie die Gegenwart von der Vergangenheit geprägt ist. Wir werden uns auch mit dem Islam befassen und verstehen, was in den Leuten vorgeht. Sie werden vom bereisten Gebiet mit dem Eindruck nach Hause gehen, dass alles ganz anders ist, als sie dachten. Mein Rat an die Teilnehmenden der Tagblatt-Reise: Seien Sie offen, staunen und fragen Sie. Niemand wird den Anspruch haben, nach einer zweiwöchigen Reise «die Araber» verstehen zu können. Aber eine Annäherung an die arabische Welt kann ja auch bedeuten, die eine oder andere Vorstellung durch ein paar direkte Begegnungen und Zusatzinformationen zu ergänzen – Inshallah…
Zum Libanon - Krieg
heute; 07.08.2006;
TEL AVIV/BEIRUT. Die Kämpfe zwischen Israel und dem Libanon gehen weiter. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Was vor knapp vier Wochen mit der Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah begann, ist in der Zwischenzeit zu einem unübersichtlichen Krieg zwischen den beiden Staaten ausgeartet. «Niemand hätte vor vier Wochen gedacht, dass sich offensichtlich beide Kriegsparteien derart verhauen in der Einschätzung ihrer Kriegsgegner», sagt André Marty , Korrespondent des Schweizer Fernsehens. Keine der Parteien wisse heute, wie sie aus dem Krieg wieder herauskomme.
Iran und Syrien miteinbeziehen
Was die für morgen angekündigte Uno-Resolution (s. Kasten) und deren Wirkung auf den Kriegsverlauf angeht, ist Marty eher pessimistisch. «Nicht nur die Hisbollah, sondern die ganze arabische Welt empfindet die Stationierung israelischer Soldaten im Südlibanon als faktische Wiederbesetzung», sagt er. Wenn der Iran und Syrien als Hisbollah-Unterstützer mässigend auf die Guerilla einwirken sollen, müsste man sie miteinbeziehen. «Das bedeutet aber, dass der Westen dem Iran im Gegenzug etwas anbieten muss, beispielsweise ein gewisses Entgegenkommen in der Atom-Frage», sagt André Marty .
Für Israel sei dieser Krieg ein psychologischer Rückschlag. «Israels Kriege waren bisher immer kurz. Diesen Krieg wird das Land möglicherweise nicht gewinnen, weder politisch noch militärisch.» Das zu akzeptieren falle Israel schwer.
Jüngste Reaktion Israels
Die israelische Luftwaffe hat heute den letzten bedeutenden Transportweg für Hilfsgüter in die südlibanesische Hafenstadt Tyrus - eine Brücke über den Fluss Litani - zerstört. Mindestens 15 Menschen starben bei heftigen Luftangriffen Israels auf Süd- und Ostlibanon.
Die Menschenrechts-Organisatio n Huma [...]