Frau Kollegin: Nicole Vandlik APTN Jerusalem

Nicole, anstrengende Tage für Dich: zuerst die 60Jahr-Feiern Israels in Tel Aviv und nun US-Präsident Bush’s Besuch in Jerusalem...
War stressig, weißt Du ja selbst. In Tel Aviv haben wir die Flugsparade der Armee abgedeckt. Der Bush-Besuch in Israel war speziell geplant und sehr aufwändig – vor allem der Umgang mit den Sicherheitsleuten...
...Du meinst die US-Security?
Auch die, nebst den israelischen Sicherheitsleuten. Das war echt heftig mit den FBI-Leuten, die für die Sicherheit von Bush verantwortlich waren. Für die Journalisten ist es ja wichtig dort zu sein, wo was geschieht. Dort, also in der Knesset, waren aber bloss die Pool-Journalisten aus dem Weissen Haus und ein paar ausgewählte israelische Medienleute zugelassen. Während Bush im israelischen Parlament sprach, mussten wir also quasi hinter dem nächsten Hügel, so um die 800 Meter oder noch weiter entfernt, unsere Live-Position aufbauen. Dort mussten wir dann die übrigen Journalisten mit der Live-Rede Bush’s versorgen – eine ziemlich aufwändige Sache.
War aber doch ein journalistisches Gross-Ereignis, die Bush-Rede.
Eigentlich schon. Nur, das grosse Erdbeben in China und davor bereits die Flutkatastrophe in Myanmar oder Burma haben viele TV-Stationen dazu bewogen, von Bush auf China umzuschwenken.
Nicole, wenn’s im Fernsehen tönt: „In Jerusalem begrüssen wir jetzt unseren Korrespondenten ...“, dann funktioniert das technisch auch dank Dir. APTN, für die Du seit viereinhalb Jahren in Jerusalem arbeitest, bietet sogenannte Live-Facilities an. Spannender Job, immer dort zu sein, wo’s gerade abgeht?
Hört sich spannend an, und ist auch spannend. Weil man halt nie weiss, was morgen oder in einer halben Stunde ist. Wir fahren dorthin, wo die Nachrichten passieren. Aufregend, in der Tat. Aber das heisst auch, wochenlang nicht zu Hause sein.... Darunter leiden halt die sozialen Kontakte, von Familienleben ganz zu schweigen. Plötzlich bist du verschwunden – und deine Freunde erfahren in den Nachrichten, wo du wohl gerade bist.
Du hast täglich mit verschiedensten Journalisten zu tun, welche die Live-Facilities nutzen. Sind wir Journalisten denn alle gleich, wenn’s heisst: 5 seconds to go, 4, 3, 2, 1 ?
Klar gibt’s Unterschiede. Es gibt Journalisten, die Stunden vor der Live-Schalte kommen und üben wollen. Die Einstellung muss stimmen, der Ton wird gecheckt. Andere gehen das weit cooler an, kommen so gerade eben knapp vor dem Live und ohne Chance, noch was zu korrigieren. Dann bin ich’s dann, die ein paar Minuten vor der Schaltung ohne Journalist dasteht und nervös wird... Ist ne nette Mischung von verschiedensten Journalisten, und so kann man sich bei manchen schon mal ein Spielchen hinter der Kamera erlauben...
Gibt’s denn zwischen den verschiedenen Live-Anbietern ab und an Krach, so wie zwischen den Journalisten?
Gibt’s auch bei uns, wie bei den Journalisten. Aber hier im Nahen Osten hält sich das in sehr engen Grenzen. Hier läuft’s halt nicht stur nach Buch, hier kann man vieles improvisieren und bereden. Beim Tod des Papstes allerdings muss es in Rom ziemlich zur Sache gegangen sein. Scheint, dass dort die Konkurrenz bessere Positionen mit besserem Ausblick hatte, und uns nicht dorthin gelassen hat; das war nicht gerade die feine Art. Aber wie gesagt, hier habe ich so was eigentlich noch nie erlebt, hier helfen sich die Kollegen untereinander, etwa wenn einer ein Kamera-Problem hat, dann hilft die Konkurrenz aus.
Mich irritiert manchmal im Live, dass etwa der Russe oder Spanier neben mir so laut redet, dass ich vor lauter „nje nje“ oder „andala andala“ kein schweizerdeutsches Wort mehr höre. Die Atmosphäre ist manchmal schon etwas angespannt, oder?
Das gibt’s, keine Frage. Manchmal sind halt die Journalisten und Reporter dermassen auf sich selbst fokussiert, dass sie ihr ganzes Umfeld völlig ausblenden. Da kann es schon mal sehr laut werden. Sobald das Live dann allerdings durch ist, ist’s dann eigentlich immer sehr ruhig und friedlich.
Nicole, Du warst unter anderem auch dabei, als wir Live vom libanesisch-israelischen Krieg berichtet haben und eine Katjuscha-Rakete ziemlich nahe an der Standup-Position eingeschlagen ist. Hattest Du damals Angst?
Nein, im Moment hatte ich keine Angst. Die Gefahr wurde mir erst später bewusst, als ich diese Metallteile der Rakete neben mir anfassen wollte. Diese Metall-Stücke waren brennend heiss – also war diese Rakete doch ziemlich nahe eingeschlagen. Erst dann ist mir bewusst geworden, wo wir uns eigentlich befinden. Die Tage danach war’s schon ein mulmiges Gefühl, wenn die Sirenen losgingen. Und ich sag’ Dir ehrlich, wenn ich’s vermeiden kann, fahre ich lieber nicht in die Gegend um den Gaza-Streifen, wo die palästinensischen Raketen einschlagen. Insofern beschäftigt mich der Krieg schon noch etwas.
Was wird Dich denn die nächsten Wochen beruflich beschäftigen?
Ehud Olmerts Korruptionsverfahren dürften uns weiter begleiten. Ebenso warten wir mal ab, was mit dem Gaza-Streifen geschehen wird. Ein Dauerbrenner ist der Iran, der Libanon und die Auswirkungen dieser Konflikte auf Israel. Arbeit ohne Ende...
Die Menschenrechts-Organisatio n Huma [...]