Unser Mann in Cairo
„Schwaie, schwaie“ – langsam, langsam, meint der Taxi-Fahrer, packt meinen Koffer – und dann geht’s ganz schnell.
Weil am Flughafen der 20-Millionen-Stadt Cairo alle ausser meinem Kameramann auf mich warten, tritt jetzt Er auf, respektive aufs Gaspedal: „Mahmoud – good driver“. Im Formel-Drei-Stil – also sau-schnell, aber drei Mal unsicherer als Heidfeld, Hamilton und Co. - schlängelt er seinen schwarz - weissen Peugeot 504, Baujahr 1968, durch den Cairoer Verkehr. „Hupendes Chaos“ nennt ein deutscher Kollege dieses charmante „Tut tut, tuuut“.
„Mahmoud – good driver“ geniesst nicht nur meine Dollars, sondern auch jede Frau am Steuer, die er überholt. Und das sind viele. Zu seiner Freud' und meinem Leid lässt er jedes Mal das Steuer los, um eine bildhübsche Ägypterin, eine Matrone und eine ausländische Fahrerin mit italienisch-anmutenden Handbewegungen zu beschreiben, die an ihm vorbei zieht. „Oooh, look, Misses. Oooh.“
Wie immer, heil an der Hotel-Reception angekommen. Dort steht dann allerdings einer, der nicht den geringsten Zweifel an seiner Staatsbürgerschaft aufkommen lässt – so kann sich nur ein deutscher Geschäftsmann anziehen. Ohne Scham und Geschmack: pinkfarbenes Hemd, pinkfarbene Kravatte, grüner Anzug, darunter viel viel Bauch. Der arme Kerl hat tatsächlich ein ernsthaftes Problem: Die jungen Damen in seinem Nachbarzimmer verlustieren sich offenbar ausgesprochen laut und lange; was andernorts für Freudensprünge sorgt, hat den Business-Mann sichtlich geschafft. „Please, please, give me an other room – I kann nimer.“
Kurz danach wird gearbeitet. Mohammad, der ägyptische Producer und Übersetzer, ist ein flinkes Kerlchen. So flink, dass er unserem Interview-Partner von der Muslim-Bruderschaft nach dem nicht enden wollenden Begrüssungsritual stolz einen Zettel reicht: Die Fragen unseres Interviews – worauf der Bruder lächelnd meint, sooo sei natürlich das Gespräch wesentlich entspannter... Und das Interview fiel weit kürzer aus als geplant.
Mohammad findet auch, ich dürfte nicht vom „Regime Mubarak“ sprechen. „No, no, Sir, no Regime.“ “Yeah, I do agree on that”, meine ich, mit einem Kopfnicken unterstreichend, dass verprügelte Demonstranten und gefolterte Oppositionelle “not good at all” seien. „0 no, Sir, no. Don’t call it Mubarak-Regime, this you can’t say.“
Aha.
Dann treffe ich Philipp, der bis letztes Jahr im Gaza-Streifen gearbeitet hatte. Gerade eben wurde ein Freund von ihm verhaftet, ein 23jähriger Blogger. Folter sei wahrscheinlich, alles andere eine Überraschung. Das zeige leider die Erfahrung: Eine Assistentin von seiner Uni, die mit einem Menschenrechtler zusammengearbeitet hatte, haben sie mehrere Monate lang systematisch gefoltert. „Die kannte keine einflussreichen Leute. Das ist schlecht in Ägypten“, meint Philipp.
Jeden Tag läuft er in seinem Quartier an einer Polizeistation vorbei. „Das erinnert dich daran, dass du der nächste sein kannst, den sie reinholen.“
Dann kommt eine SMS, eine Textmessage, von der israelischen Armee aufs Handy des Journalisten in Cairo. „5 Mortar, 3 Kassam rockets fired at Israel, no injuries.“
Alles ist halt relativ.
Philip Rizk - vor seiner Verhaftung Und plötzlich erwischt’s dann einen, denn du selber kennst. Sie
Aufgenommen: Feb 08, 13:53