Vom sinnlosen Sterben

Irgendetwas beunruhigte Raed. Und so brachte er seine Frau und die fünf Kinder in ein benachbartes Dorf – das hat ihnen das Leben gerettet.
Am 8.November 2006 verfehlten israelische Artillerie-Granaten ihr Ziel um Hunderte von Metern und trafen zwei Häuser mitten in Beit Hanoun im Gaza-Streifen. 21 Zivilisten, darunter 14 Frauen und Kinder, sind nie mehr aus ihrem Schlaf erwacht. Mindestens 50 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. 13 Personen einer einzigen Familie kamen ums Leben, von der 86jährigen Grossmutter bis zum sechs Monate jungen Säugling.
Raeds Familie.
Manchmal setze sich sein Vater heute irgendwo hin und weine still vor sich hin, sagt Raed. Ein Teil seiner Gross-Familie, Bruder, Neffen, Sohn - ausgelöscht. „So etwas vergisst du nicht“, meint Raed der Taxi-Fahrer.
Am Dienstag abend hat die Sonderuntersuchung der israelischen Armee ihren Bericht zur Tragödie von Beit Hanoun vorgelegt. Ein „rares und ernsthaftes technisches Versagen eines Feuerkontrollsystems“ seien, so der Untersuchungsbericht, die Ursache für die fehlgeleiteten Artillerie-Geschütze. Es handle sich nicht um Absicht. Aus diesem Grund sei keine weitergehende Untersuchung angebracht. Niemand sei verantwortlich zu machen.
Kein Wort der Entschuldigung, des Bedauerns. Keine Zeile dazu, warum mit der relativ treff-unsicheren Artillerie in bewohntes Gebiet gefeuert wird. 21 tote Zivilisten – und keiner ist verantwortlich.
Nein, Raed ist über den Untersuchungsbericht nicht erbost. Nein, Raed wünscht Israel deshalb nicht alles üble auf Erden. Er fragt bloss nüchtern: „Hast Du was anderes erwartet?“ Die Hamas-Bewegung habe ihnen für jedes tote Familienmitglied 1 000 Dollar gegeben. 1 000 Dollar. Soviel ist ein Leben im Gaza-Streifen wert. Mehr sei nicht geschehen.
Die Medienkarawane ist längst weitergezogen, keiner interessiert sich mehr für die Witwen und Waisen von Beit Hanoun. „Das“, meint Raed, „ist unser Leben“. „Und schau’ was heute geschehen ist: Hamas-Leute wurden von den Israelis erschossen – jetzt werden dann gleich die Raketen auf Israel abgefeuert werden.“
Raed hat Recht behalten: Im Gaza-Streifen kamen heute bei israelischen Angriffen insgesamt neun Personen um, ein Palästinenser wurde von israelischen Sicherheitskräften im besetzten Westjordanland erschossen. Im israelischen Sderot starb ein Mann durch eine palästinensische Rakete.
„Alles sinnlose Tote. Israeli und Palästinenser sterben umsonst“, sagt Raed.
Die Menschenrechts-Organisatio n Huma [...]