Ulrike Putz, Spiegel Online, Beirut
Ulrike, "Der Spiegel" und "Spiegel online" berichteten, Israels Premier Olmert werde die im Libanon entführten zwei israelischen Soldaten für Tod erklären - wir warten bis heute auf Olmerts Erklärung. Was ist da passiert?
Da musst Du den "Spiegel"-Kollegen Christoph Schult in Jerusalem fragen, ich kann da nichts zu sagen: Denn auch wenn alle Welt das immer durcheinander wirft, sind das Blatt und Online nach wie vor getrennte Redaktionen. "Spiegel Online" veröffentlicht jede Woche einige exklusive Geschichten aus dem Blatt vorab, so auch in diesem Fall. Nicht immer bekommt man das mit. Ich hab' von dieser Meldung erst erfahren, als israelische und libanesische Kollegen nachfragten, was da dran sei. Das ist nicht ideal, passiert aber im Eifer des Gefechts.
Kaum ein halbes Jahr fest im Nahen Osten stationiert, den Du seit Jahren bereist, bist Du bereits die wohl am meisten gelesene deutschsprachige Korrespondentin in dieser Region. Bravo.
Danke für die Lorbeeren, ich werde das bei der nächsten Gehaltsverhandlung ins Feld führen... "Spiegel Online" wird stark wahrgenommen, das stimmt wohl, gerade auch innerhalb der Branche. Im Unterschied zu Tageszeitungen können wir anhand der Klick-Zahlen ja genau nachvollziehen, welche Geschichten von wievielen Lesern tatsächlich gelesen werden. Ich freu mich, wenn alltägliche, kleine Geschichten Abseits von Konflikten und Krisen gut gelesen werden. Das pralle, bunte Leben im Nahen Osten kommt in unseren Berichten oft zu kurz, und dann denken die Leser daheim, in der Region leben nur mordlüsterne Irre der ein oder anderen Coleur.
Kein Neid der Kolleginnen und Kollegen?
Hoffentlich nicht. Mit einigen aus dem deutschsprachigen Nahost-Klüngel bin ich seit Jahren befreundet, die anderen haben mich, so weit man sich mal über den Weg gelaufen ist, sehr nett aufgenommen.
Dein Stil, Deine Reportagen gehen meist sehr nahe ran. Mir gefällt's, anderen weit weniger: Blogger der jüdisch-israelischen Szene nehmen Dich ab und an ins Visier, nicht immer allzu zimperlich. Kein Problem für Dich?
So lange es nicht unter die Gürtellinie geht, darf jeder seine Meinung äussern. Und wo es das tut (passiert leider auch), disqualifizieren sich solche Blogger doch selbst. Ich werde genau so von arabischer Seite angefeindet. Der Nahost-Konflikt hat auf beiden Seiten Heerscharen von Rechthabern geschaffen, die einen sofort für parteiisch zu erklären, wenn man nicht die ihnen genehme Lesart des Konfliktes darstellt. Da muss man sich ein dickes Fell zu legen und es ansonsten mit Joachim Friedrichs halten: "Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten."
Harsche Reaktionen gehören in der Tat dazu; aber ist's auch für Deine Heim-Redaktion im fernen Hamburg kein Problem?
Davon bekomme ich zumindest nicht viel mit. Wie gesagt, die meisten Gesinnungs-Blogger auf beiden Seiten haben so viel Schaum vor dem Mund, dass man sie kaum ernst nehmen kann. Anders ist das natürlich bei vernünftigen Leserbriefen, damit setzen wir uns schon auseinander.
Beim "Spiegel" ist's Aus für den Chefredaktor, der bisherige Chef von "Spiegel Online" rückt als Doppelspitze nach: Wie stark prägen die Herren der Chefetage Deine Nahost-Berichterstattung?
"Spiegel Online" - Reporter sind zur Selbstständigkeit erzogen. Viele technische Absprachen über Artikellängen, Sendezeiten etc. fallen bei uns ja weg, weil wir da flexibler sind als jedes andere Medium. Oft bin ich ohnehin in Regionen, wo man sich auf Grund technischer Schwierigkeiten nicht ständig absprechen kann. Dass es trotzdem rund läuft, liegt glaube ich daran, dass wir letztlich alle auf einer Wellenlänge liegen und gleich ticken.
Inhaltlich gibt's keine Vorgaben aus der deutschen Zentrale? Der "Springer"-Verlag ermutigt ja seine Leute zur israeltreuen Berichterstattung.
"Spiegel Online" ist genauso Israel-freundlich oder -kritisch wie alle anderen deutschen Leitmedien, die heutige deutsche Gesellschaft und die deutsche Politik. In diesem Rahmen bin inhaltlich frei, eine schriftliche Verpflichtung zur unbedingten Israel-Treue, wie Du sie für den "Springer-Verlag" beschrieben hast, gibt es bei uns nicht.
Die libanesische Hesballah-Bewegung und Israel liefern sich nach der Ermordung des Hesbollah-Militärchefs - viele sprechen von einem Erz-Terroristen - einen verbalen Schlagabtausch. Werden wir schon bald als Kriegsreporter im Einsatz stehen?
Ich glaube nicht, dass es in absehbarer Zeit zu einem tatsächlichen neuen Krieg zwischen der Hisbollah und Israel kommen wird. Anschläge und oder vereinzelte Gefechte kann es dagegen sicher geben.
Was wird Dich in den nächsten Wochen journalistisch beschäftigen.
So lange die allabendlichen Schiessereien in Beirut nicht ausarten, ist hoffentlich mal Zeit für ein paar ruhige Lesestücke aus dem Libanon. Ich wüsste ja auch zu gern, was sich an der irakisch-türkischen Grenze tatsächlich abspielt, aber es ist kaum möglich, da hin zu kommen. In drei Wochen Wochen sind Wahlen im Iran, das wird auch spannend. Ansonsten nach Lage: Gaza z.B. kann innerhalb von Stunden zum Brennpunkt werden, dann muss man natürlich los. Wenn ich die Zeit hätte, sollte ich zudem dringend einen Kurs im Kaffeesatz-Lesen besuchen; diese Kunst zu beherrschen, würde das Leben und die Arbeit im Nahen Osten wesentlich erleichtern.
Ulrike Putz, besten Dank für dieses Gespräch.
Die Menschenrechts-Organisatio n Huma [...]