Feuer eröffnet - auf die Journalisten

Es knallt gegen 10 Uhr. Heute morgen hat die israelische Armee ein Medienhochhaus in Gaza-Stadt bombardiert, zwischen der 12. und 13. Etage ist die Bombe eingeschlagen.
Die israelische Armee kennt die genauen Koordinaten des Gebäudes. Und just heute morgen telefoniert Reuters nochmals mit den israelischen Militärs – kurze Zeit später wird bombardiert.
Der technischen Kontrollrau von Reuters, der sogenannte MCR, wird zerstört. Zwei Kameraleute werden verletzt, die anderen werden den heutigen Tag nie mehr vergessen. Alle Journalisten, Techniker und Kameraleute sind nun auf der Strasse, Reuters Gaza gibt es nicht mehr. – Und wieder werden die Medien direkt attackiert, der Überbringer der ungeliebten Bilder.
Mohammad, mit dem ich in Gaza zusammenarbeite, hatte den getroffenen Raum ein paar Minuten vor dem israelischen Angriff verlassen „They shelled us, us Journalists“, sagt Mohammad mit kaum hörbarer Stimme am Telefon. Mohammad mag nicht erzählen, er sitze am Boden und wolle in Ruhe gelassen werden.
„Contrary to IDF assurances that these media buildings would be safe - the IDF is severely violating basic principles of respect for press freedom,“ meint die Foreign Press Association – ein weiteres nutzloses Comuniqué.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sitzt derweil mit Israels Aussenministerin Tzipi Livni in der Luxus-Herberge „Dan Hotel“ in Tel Aviv zusammen. Der UN-Chef ist gerade etwas „outraged“, da am morgen auch das UN-Hauptquartier in Gaza-Stadt bombardiert wurde. An der gemeinsamen Medienkonferenz spricht Tzipi Livni von einer „successfull military operation“, der Kampf richte sich einzig gegen Hamas. Sagt sie, unwidersprochen. Denn Fragen dürfen die Medien genau zwei (2) stellen. Eine ein ausländischer Journalist, eine ein Israeli. Antworten, die dieses Wort verdienen, gibt’s keine. Was hätte die Aussenministerin auch antworten können auf die Frage, was denn eigentlich in der letzten Kriegswoche erzielt worden sei, was in der Vorwoche noch nicht erreicht war. Dennoch reicht ihr junger Einflüsterer immer wieder Zettel an Livni, bloss für den Fall, dass sich der Kollege von Al Jazeera English weiter erdreisten würde nachzuhaken.

Der Pressesprecher der deutschen Botschaft in Tel Aviv hat derweil ganz andere Sorgen: Morgens um vier sei er aus dem Urlaub zurück- gekommen, habe kaum geschlafen. Der Arme, war er doch in Ferien gewesen und musste nun nach drei Wochen Krieg zurückkommen - Spokesperson müsste man sein.
Sein oberster Chef, der deutsche Aussenminister, ist zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn vor 20 Tagen eingeflogen. Israels Selbstverteidigungsrecht stehe ausser Frage, aber die Bilder aus Gaza würden die Welt schon beunruhigen, meint der Minister.
Dann kommt die Meldung, das Al-Aksa-Spital - ein Rot-Kreuz-Krankenhaus - in Gaza-Stadt sei bombardiert worden, stehe in Flammen. Ein Krankenhaus, mit dutzenden Personen drin.
Doch dann sitzen der deutsche Minister und Tzipi Livni bereits im Luxus-Hotel am grossen Tisch – am Mittagstisch. Soweit das ungeübte Journalistenauge das erkennen kann, gibt’s zur Vorspeise Fisch, präsentiert auf einem Fenchel – Blattboquet.
Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: während der deutsche Aussenminister mit seiner israelischen Amtskollegin im Luxus-Hotel diniert, brennt in Gaza ein Spital, werden Hochhäuser beschossen, rennen Zivilisten um ihr Leben. Rund ein Drittel der bisher über 1 050 Toten sind Kinder.
Möge den Politikern die Crème brulée geschmeckt haben.
Donnerstag, 15. Januar 2009 um 16:18 >> antworten
Freitag, 16. Januar 2009 um 11:12 >> antworten
Wir alle hier sind fassungslos und stehen hilflos da beim Lesen eines solchen unmenschlichen Wahnsinns!
Zum Glück gibt es Ihren Blog! Danke Herr Marty für Ihre laufenden Berichterstattungen. Ein solcher Blog dient auch dazu, dass eines Tages niemand sagen kann: „das habe ich nicht gewusst…“
Donnerstag, 15. Januar 2009 um 19:32 >> antworten
Erdnüsse,Raclettekartoffeln,Gemüse und Früchte in der Schweizer Migros zum Beispiel....
Dieser Blog ist einer der wenigen Orte, wo ich mich nicht einfach nur als "Kriegs-Gafferin" fühle. Die Betroffenheit ist anders, nachhaltiger, begleiteter, als bei Schlagzeilen-News.
Danke für alles, was uns hier zugemutet wird!
Donnerstag, 15. Januar 2009 um 20:23 >> antworten
Jedoch bin etwas erstaunt, wie sie die Bombardierung des UN-Lagers in der Tagesschau kommentiert haben. Schliesslich ist es Israel sehr wohl möglich:
a) zielgenaue Waffen einzusetzen und
b) trifft man weder das UN-HQ noch das Gebäude mit den Reuters-Journalisten rein zufällig...
Donnerstag, 15. Januar 2009 um 21:18 >> antworten
Donnerstag, 15. Januar 2009 um 22:53 >> antworten
Man stelle sich vor, ein solches "Masaker" würde uns widerfahren - und alle schauen von aussen nur zu. Wir würden es den Aussenstehenden noch lange in Erinnerung rufen.
Es kommt mir vor, wie wenn man einen Schwerverletzten auf der Strasse verbluten lässt statt ihm erste Hilfe zu leisten.
Aber eben, was können wir tun?
Der Migros schreiben, sie solle israelische Produkte aus den Regalen nehmen? Trifft das schliesslich nicht wiederum die Falschen?
Freitag, 16. Januar 2009 um 01:03 >> antworten
Freitag, 16. Januar 2009 um 06:14 >> antworten
Nein, wirklich keine Überraschung für mich,dass der deutsche Außenminister mit seiner israelischen Amtskollegin diniert, während gleichzeitig die Angriffe auf Gaza und die Bilder über deren Folgen für die Palästinenser weiterlaufen. Die Bundesregierung macht kein Geheimnis daraus, dass sie ein
enger Verbündeter Israels ist und bleibt. Sie hat deshalb auch von Anfang an die Angriffe auf Gaza unterstützt. Warum sollte Steinmeier also nicht mit seiner israelischen Amtskollegin anstoßen ? Bemerkenswert in diesen Tagen ist vielmehr, dass
selbst der palästinensische Präsident sich nicht klar, eindeutig und überzeugend
auf die Seite seines eigenen
Volkes stellt. Das ist es, was Steinmeier und Livni bei ihrem gemeinsamen Abendessen wirklich als gemeinsamen Erfolg ihrer Politik feiern können.
Freitag, 16. Januar 2009 um 10:24 >> antworten
Und wenn sie dort nicht landen, brauchen wir diesen ganzen Menschenrechtsgerichtshof nicht. Vergeblich warten wir auch auf einen Haftbefehl gegen Robert Mugabe.
Freitag, 16. Januar 2009 um 11:35 >> antworten
Zum Glück bin ich hier per Zufall gelandet...
Freitag, 16. Januar 2009 um 13:26 >> antworten
Die Politiker Israels müssen für ihr unfähiges Verhalten bestraft werden. Es bringt doch nichts auf Gaza zu schiessen, solange auf dem Boden von sozialer Ungerechtigkeit neue Brandherde spriessen können. Kein Mensch wird gewalttätig geboren.
Herr Marty, ich bin froh Ihren Blog entdeckt zu haben. Ihre Berichterstattung ist kritisch aber ehrlich. Danke dafür. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Freitag, 16. Januar 2009 um 14:38 >> antworten
In Zukunft wird dieser Verteilungskampf noch schärfer werden, da die Bevölkerung wächst und die Produktivitätssteigerung nicht mithalten kann. Weitere Kriege sind in Zukunft also vorprogrammiert.
Zweitens: In einem Krieg gibt es stets auch Gewinner. Wenn es keine Gewinner gäbe, gäbe es keinen Krieg.
Dienstag, 20. Januar 2009 um 03:07 >> antworten
Weiter so, lieber Herr Marty! Hoffentlich wird die Welt einmal sehen, was da im Nahen Osten wirklich für schlimme Verbrechen begangen und von den Mächtigen dieser Welt toleriert werden!
Sonntag, 18. Januar 2009 um 08:20 >> antworten