Der Teufel und wir

„Warum eliminieren wir den eigentlich nicht?“
Eine Frage, einfach so hingeworfen wie: „Was kosten denn die Tomaten?“ Und das von einem israelischen Kollegen, mit dem ich in letzten Jahren manch' Stunde meiner Arbeitszeit verbracht hatte – wie Mann sich doch in Volkes Seele nicht auskennen kann.
„Wir“, das wären übrigens die israelischen Sicherheitskräfte. „Den“, das wäre Mahmoud Ahmadinejad, der iranische Präsident.
„Der Teufel“ nennen sie ihn, den „neuen Hitler“. Und wehe auch all’ jenen, die nicht die gebotene Distanz zu "dem" wahren.
Als die Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey Mitte März in Teheran beim neuen Bösen vorbeischaut, irritiert sie mit dieser Visite nicht nur ihre Landsgenossinnen und –Genossen. Mal abgesehen von den diplomatischen „Verstimmungen“ gibt’s hierzulande gleich zwei Demonstrationen vor der Schweizer Botschaft in Tel Aviv: Das gute Dutzend der Aufrechten läuft mit Plakaten vor der Vertretung auf, Plakate mit dem Hakenkreuz und eher weniger zitierfähigen Sprüchen. – Wer das Auffahren der Polizei erwartet hätte, täuscht sich auch in der Polizisten-Seele: Die Ordnungshüter wurden zwar eilig gerufen, tauchten aber nie auf. Warum auch: Dieselbe Polizei hatte die Demonstration gegen das Böse ja selber bewilligt.
Nun mag „der Westen“ durchaus ein anderes Verständnis von Bedrohungslagen haben. „Der Rest der Welt“ wächst schliesslich nicht auf mit einer permanent eingehämmerten Existenzangst. Ob dies nun zu Recht oder Unrecht vom Kindergarten aufwärts in Schulen, in den Medien und in der Politik sowieso zum Standartrepertoire gehört, spielt hier keine Rolle. Es ist schlicht ein Fakt.
Aber warum – es sei zumindest die Frage erlaubt – warum ist das so? Warum wird so ziemlich jedes Problem einzig mit militärischen Kategorien und Denkweisen angepackt?
Lassen wir für einmal andere antworten, genauer gesagt den vom „Tages-Anzeiger“ interviewten israelischen Historiker Haggai Ram. In Israel hört den zwar niemanden, wohl wegen Aussagen wie diesen:
Es macht den Anschein, dass der Iran alle anderen Themen wie den eigentlichen Nahostkonflikt in den Hintergrund drängt. Stimmt diese Wahrnehmung?
"Nicht nur den Nahostkonflikt, sondern vor allem auch die Probleme von Regierungschef Ehud Olmert, seine schlechte Regierungsführung generell, unsere sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten. Alle Bemerkungen zum Iran muss man in diesem Kontext sehen."
In Israel wird in Zusammenhang mit dem Iran ein endzeitliches Bedrohungsszenarium aufgebaut. Sie sehen hier einen neuerlichen Missbrauch des Holocaust für politische Zwecke.
"Der Holocaust wird uns jeden Tag in die Köpfe gehämmert, schon seit langem. Und jetzt beim Thema Iran. So hat schon Benjamin Netanyahu einst den Iran mit Hitler-Deutschland gleichgesetzt., was absurd ist. Der Iran ist gewiss nicht das grosse Frieden suchende und demokratische Land, aber auch wirklich nicht das wiedererwachte NS-Deutschland und Ahmadinejad nicht Hitler. Israel verliert mit solchen Argumenten an moralischer Kraft. Der Holocaust wird trivialisiert."
Und er wird zu einer politischen Waffe.
"Das ist nun genau, was Ahmadinejad tut, und wir spielen nach seinen Vorgaben mit. Bemerkenswert finde ich auch, dass man ihm stets vorwirft, er habe vom Westen keine Ahnung. Mit seinen Drohungen gegen Israel zeigt er, dass er die Wirkung im Westen sehr genau einschätzen kann."
Übrigens: „Der Teufel“ betreibt auch einen Blog. Bloss, dass Sie den aus Israel nicht anklicken können – vielleicht klappt’s ja bei Ihnen zu Hause.
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Mittwoch, 9. Juli 2008 um 20:50 >> antworten