Frau Kollegin: Irit Rubenov, Junior Journalist Tel Aviv / Bern

Irit, während knapp zwei Monaten hast Du als junge Journalistin in Israel und den palästinensischen Gebieten gearbeitet. Wie war’s?
Interessant, ich habe vieles gesehen, vieles gelernt. Durch meine Arbeit hatte ich die Möglichkeit, einen etwas anderen Blick auf Israel zu werfen.
Einen „etwas anderen Blick": Worin siehst Du denn die Hauptunterschiede zwischen der journalistischen Arbeit hier im Nahen Osten und der Schweiz oder etwa Deutschland?
Das ist schwierig zu sagen, da ich tatsächlich noch am Anfang meiner beruflichen Laufbahn stehe. In Israel ist auf jeden Fall mehr Flexibilität gefragt. Wegen der Situation und wegen dem etwas weniger bürokratischen Umgang miteinander.
Du hast mich begleitet, das heisst, dem Korrespondenten über die Schultern geguckt: Na, wie arbeitet der Schweizer denn?
Ha, ich wage mich nicht an ein Urteil... Nun, der Schweizer hat es nicht einfach. Zu viele Themen, zu wenig Interesse, zu wenige Sendeplätze. Die kleinen aber doch interessanten Geschichten sind leider schwer zu verkaufen. Schade eigentlich, denn ich bin mir sicher, Du hättest noch eine Menge Ideen...
Hm, so was hört ja jeder gerne - das mit dem Ideenreichtum... Irit, Du warst zum ersten Mal in Deinem Leben in den palästinensischen Gebieten, hast Sepp Blatters Fifa-Besuch dort gecovert. Hattest doch gehörigen Respekt vor den Territories, gell...
Natürlich hatte ich Respekt, vor der ganzen Arbeit – und dies auf der einen sowie der anderen Seite. Aber ich bin sehr froh, diese Möglichkeit gehabt zu haben. Es ist wichtig, offen und neugierig zu sein, und natürlich besonders in diesem Konflikt beide Seiten zu betrachten.
Wie nimmst Du eigentlich die Medienarbeit über den israelisch-palästinensischen Konflikt war?
Deine Medienarbeit oder im Allgemeinen?
Shoot, liebe Kollegin!
Mal nur auf das Fernsehen bezogen: Ich habe jetzt noch einmal mehr verstanden, wie schwer es ist, insbesondere im Fernsehen die Hintergründe dieses Konfliktes zu vermitteln. Aber auch gerade deswegen muss man als Journalist besonderen Wert auf Ausgewogenheit legen.
Also nicht ausgewogen?
Meiner Meinung nach, als Rezipientin der Medien im Allgemeinen, fehlt es doch häufig an Ausgewogenheit. Wenn das Verständnis beim Publikum fehlt, muss man erklären. Und dies aus einer neutralen Perspektive des Journalisten. Es fängt schon bei der Themensetzung an. Und natürlich spielt die Wortwahl auch eine grosse Rolle. Was wird als wichtig betrachtet und was nicht, und wie wird darüber informiert. Manche Journalisten scheinen sich dessen zu wenig bewusst.
Vor Deinem Besuch hier hast Du während zwei Monaten in Washington DC bei der israelischen Lobby-Organisation „The Israel Project" gearbeitet. Lobby-Arbeit und Journalismus widerspricht sich doch ziemlich stark, oder?
Nein, überhaupt nicht. Jedenfalls nicht, um berufliche Erfahrungen zu sammeln. Ich finde es wichtig, Bescheid zu wissen. Natürlich kann man nicht beides gleichzeitig machen. Aber ein Einblick in den Bereich Public Relation und die Strategische Kommunikation eines Unternehmens ist auch für einen Journalisten wichtig, um manches besser zu verstehen.
Wie muss ich mir denn die Lobby-Arbeit dieser israelischen PR-Organisation vorstellen?
"The Israel Project" stellt den Journalisten Informationen über den Konflikt zur Verfügung. Und diese brav mit Quellenangaben. Natürlich entsprechen diese Informationen nicht per Definition der Ausgewogenheit für beide Seiten. Das ist aber auch die Idee einer Lobbyorganisation, und in Amerika ist diese Tatsache den Journalisten auch viel stärker bewusst. Lobbyorganisationen gehören in Amerika zum journalistischen Alltag.
Was konntest Du denn als Journalistin von diesem Lobby-Trip profitieren?
Ich habe beide Seiten sehen können. Nicht nur die Arbeit und Vorgehensweise eines Journalisten, sondern auch die einer, nennen wir es PR-Organisation. Ich denke, ich habe Einsichten bekommen, die mir in meiner weiteren journalistischen Laufbahn sehr nützlich sein werden.
So denn Irit, Du stehst am Anfang Deiner Medienkarriere: Was ist denn nun das Faszinierende an dieser Branche – und sag mir jetzt bitte nicht: „Medien sind einfach geil", wie ich das zu häufig von jungen Kolleginnen und Kollegen zu hören bekomme!
Nach unserer gemeinsamen Arbeit weisst Du, dass dies nicht meine Antwort sein wird... Mich faszinieren die politischen Hintergründe, die News und die Möglichkeit, mein Interesse zum Beruf zu machen. Wenn ich andere Ambitionen hätte, würde ich nicht versuchen, in den aktuellen News-Bereich zu gehen, sondern mir eine Arbeit bei einem Print-Boulevardmedium oder einer der entsprechenden Unterhaltungssendungen bei SF suchen.
Was wird Dich in den nächsten Wochen journalistisch beschäftigen?
Ich weiss, dass Du diese Frage allen Journalisten zum Abschluss stellst... Nun, ich werde erst einmal meine weitere berufliche Laufbahn organisieren müssen. Vielleicht wird dann aus meinem privaten Interesse für das Geschehen in der Welt auch ein Berufliches.
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(Nachtrag des bloggenden Journalisten: Chefredaktoren des deutschsprachigen Raums: falls Sie öfters solche Antworten bei Ihren Bewerbungsgesprächen mit Jung-Kolleginnen und -Kollegen zu hören bekämen, sähe die Medienwelt doch wesentlich anders aus, oder?)
Samstag, 22. November 2008 um 21:57 >> antworten
"The Israel Project (TIP) is an international non-profit organization devoted to educating the press and the public about Israel while promoting security, freedom and peace. The Israel Project provides journalists, leaders and opinion-makers accurate information about Israel."
(http://www.theisraelproject.org/site/c.hsJPK0PIJpH/b.672811/k.DFA5/About_TIP.htm)
das die selbstdefinition von "the israel project" -- fakten, werter johannes, nicht emotionen.
und falls sie die antworten von irit rubenov gelesen haben, dann hat ihnen eine insiderin erzählt, wie diese pr funktioniert - fakten, werter johannes, nicht emotionen
filip:
die pr-texte, welche die organisation an journalisten verschickt und die medientreffs, die organisiert werden, lassen nicht einmal den ansatz eines zweifels an der pr-arbeit der organisation aufkommen. das ist m.e. nichts verwerfliches oder falsches - ob die organisation nun ihr hauptquartier in israel hat oder nicht, das gehört zum "geschäft politik". bleibt bloss die übliche professionelle distanz zu einer staatlichen oder durch private gelder finanzierten organisation zu wahren, die gemäss eigener definition journalisten und die bevölkerung "erziehen" will
Sonntag, 23. November 2008 um 18:34 >> antworten
Sonntag, 23. November 2008 um 18:54 >> antworten