Für all' jene, die behaupten, "die Situation" sei zu komplex, und deshalb könne es keine Annäherung geben zwischen Israeli und Palästinensern

 

Für all' jene, die behaupten, "die Lage" sei zu verfahren, und deshalb könne niemand etwas tun gegen das Jahrhunderte lange gegenseitige Abschlachten

 

Für all' jene, die darauf warten, dass "der Andere" sich bewegen möge

 

 

Für all' jene, die sich darüber freuen, dass "die Drüben" jede Chance nutzen, eine Chance zu verpassen

 

 

 

 

 

 

118 tote Frauen, 825 verletzte Frauen. Von den 1.414 Toten waren insgesamt 83% Zivilisten, was die israelische Armee bestreitet, dazu - wenig zur Glaubwürdigkeit beitragend - aber kaum Informationen liefert. 2.114 Häuser werden komplett zerstört, 3.242 sind nicht mehr bewohnbar.

 

Das sind die nackten Zahlen des israelischen Gaza – Krieges von Dezember / Januar. Selbst über diese Zahlen streiten sie, die Konfliktparteien.

 

Geblieben sind die sichtbaren Wunden, die Trümmerhalden, die Zerstörung. Dies nach jahrelanger Wirtschafts- und Politblockade des Gaza-Streifens durch Israel, die USA und die EU. 1.5 Millionen Menschen im Gaza – Streifen: selber schuld, hätten ja nicht Hamas wählen brauchen; so die krude Logik der Besatzer und ihrer Unterstützer in Washington, Brüssel und anderswo.

 

Geblieben ist auch das: Through women's Eyes wirft einen frauenspezifischen Blick auf die israelische Operation „Gegossenes Blei“. Der Blick der betroffenen palästinensischen Frau, verfasst vom Palestinian Centre for Human Rights PCHR.

 

Zwei Beispiele aus dem Report mögen genügen. Wer dann noch weiterlesen mag, klicke obige Links an.

 

Hala Al – Habash (37)

 

Sechs Kinder spielen am 4. Januar 2009 auf dem Dach des Hauses, in dem die drei Al - Habash - Brüder mit ihren Familien leben; es war ruhig, keine Kämpfer in der Nähe, keine Gefechte. Gegen 15 Uhr taucht eine israelische Drohne auf und schiesst auf das Dach, auf dem die Kinder spielen: Hanas Tochter Shaza (10) und ihre Nichte Isra (11) sterben sofort, Halas Tochter Jamila (14), ihr Neffen Mahmoud Amr (15) und Mohammed Amr (16) werden verletzt. Jamila müssen beide Beine amputiert werden, Mohammed Amr ein Bein bis zum Knie.

 

Vater Mohammed hatte seine Frau Hala beruhigt: „Israel hat viel Technologie, die kennen ihre Ziele. Lass‘ die Kinder auf dem Dach in der Sonne spielen.“

 

PCHR geht davon aus, dass die Al – Habash – Kinder gezielt beschossen wurden. Das willentliche Töten von Zivilisten ist ein schwerer Bruch der Genfer Konventionen und wird vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen definiert. Das gezielte Beschiessen von Kindern ist eine Verletzung der allgemein anerkannten Regeln des internationalen humanitären Völkerrechts (customary Law) und wird vom Internationalen Strafgerichtshof als ein Kriegsverbrechen definiert.

  

 

Rhagda Abed Rabbo (22)

 

Am 16. Januar bombardiert ein israelischer Kampfflieger das neben dem Haus der Abed Rabbos liegende Grundstück, worauf die Fenster im Haus zerbersten, die Familie rennt in den unteren Stock des Hauses. Zwei Stunden später fühlt die im siebten Monat schwangere Rhagda Abed Rabbo Schmerzen, kurze Zeit darauf kommt es zur Frühgeburt ihres Sohnes Ayham. Wegen des Krieges ist es zu gefährlich, die Mutter mit einem Ambulanzfahrzeug ins Spital zu transportieren. Für die Geburt ist kein Wasser, kein Strom vorhanden, das Haus ist kalt, da die Fenster durch Explosionen zerstört worden waren.  

 

Der stark untergewichtige Ayham wird mit einer Körpertemperatur von 30 Grad erst am folgenden Tag ins Spital gebracht. Später kann er nach Jerusalem in ein Kinderspital transportiert werden, wo er am 16.April stirbt. Die Behörden fordern Rhagda auf, den toten Körper ihres verstorbenen Sohnes in einer Kartonschachtel nach Gaza zurück zu nehmen; nach längerer Koordination kann die Familie einen privaten bezahlten Totentransport organisieren.

 

PCHR verweist darauf, dass Artikel 17 der Vierten Genfer Konvention vorschreibt, dass „die Konfliktparteien sich anstrengen Abkommen zu schliessen, damit Verletzte, Kranke, Kinder und ältere Menschen sowie Schwangere belagerte Gebiete verlassen können“.

 

Na, heute schon in der Buchhandlung gewesen? Hier ein charmanter Hinweis der grössten und ältesten israelischen Buchhandelskette Steimatzky, was auf Sie warten könnte:

 

 

 

So richtig warm ums Herz wird's den Betrachtern dieser Romanze vielleicht nicht; zu sehr hängt "Cairo Time" der Hauch des Promo-Films an. Aber Cairo hat durchaus seinen Reiz - als Liebesnest, oder einfach als Hingucker. Also, ab ins Kino:

 

 

 

 

Das Phänomen heisst kurzerhand Flipping out.

 

Gemeint sind die rund 30 000 jungen Israeli, die jedes Jahr nach dem obligatorischen Militärdienst nach Indien reisen; 30 000 von rund 50 000 jungen Soldaten. In Indien lassen die meisten nach drei (Männlein) respektive zwei Jahren (Weiblein) in Uniform nicht bloss die Seele bambeln, in Hängematten dösen, und sich eine Rastafari- Frisur wachsen. Nein: 90 Prozent der Indienreisenden machen Drogenerfahrungen – Flipping out in den Bergen Nordindiens oder an den Stränden Goas.

 

Flipping out – so kommt das in Indien an:

 

 

Flotte Werbung in eigener Sache der Kollegen von der BBC - never stop asking, heisst's da. You can't suppress a powerful question.

 

Wohl wahr, eigentlich. Was aber, wenn die Fragen nicht mehr gestellt werden, nicht mehr gefragt werden will, nicht mehr gefragt werden soll, oder nicht mehr gefragt werden kann?

 

Und so wollen wir doch künftig an dieser Stelle die eine oder andere kurze Frage in die Runde werfen.

 

 

 

 

 

 

Heute wollt' ich fragen:

 

 

   

 

 

1.200 Kindern aus Immigranten - Familien droht die Aussschaffung aus Israel. Laut dem stellvertretenden Premierminister und Innenminister Eli Yishai ist die Deportation richtig und wichtig, um den jüdischen Charakter Israels nicht zu gefährden. Es handle sich laut dem Chef der religiösen Shas-Partei um “eine demografische Gefahr und ein Risiko der Assimilation”. Sollten die Kinder nicht deportiert werden, werde Shas aus der Regierungskoalition austreten, drohte Yishai. Meine Frage: ist das Rassismus? Und falls nein: Was ist Rassismus?

 

 

Hier ein bisschen französische Lektüre in Sachen Gaza - Streifen. Keine leichte Kost, wahrlich nicht.

 

Der Hammer: Setzt sich der palästinensische Bau-Unternehmer Jawdat Khoudary in den Kopf, das kulturelle Erbe Gazas zu retten. Das hier ist die unglaubliche Geschichte eines Kämpfers gegen Stereotypen, eines Identitäts-Schaffers. „Die Israeli wollen uns auf das Stereotyp des Terroristen reduzieren. Ich möchte meinen Landsleuten den Geschmack des Guten einflössen, Hoffnung zurückgeben.“ Das Buch erzählt die Geschichte Khoudarys, der in seinem Garten palästinensische archäologische Kunstgegenstände hortet, vor der Besatzungsarmee versteckt, schlussendlich einen Teil seiner riesigen Sammlung nach Genf schafft. Wer Geschichte präserviert, erklärt und weitervermittelt, schafft Identität – Khoudarys friedlicher Kampf mit tausendjährigen Steinen gegen die Besatzung – oder eben für einen palästinensischen Staat.

 

 

Guelpa, Beatrice: Gaza Debout Face a la Mer. Editions Zoe, 2009

 

 

 

 

 

 

Literatur vom Feinsten. Auch wenn ein bisschen geografische Vorkenntnis nicht schaden kann, der tunesisch – algerische Schriftsteller Hubert Abraham Haddad liefert einen erschütternden Eindruck von der Liebe in Zeiten der Besatzung rund um die Stadt Hebron. Falastin und Nessim, die Palästinenserin und der israelische Soldat erleben für den Leser das Unmögliche. 156 feinfühlige Seiten erzählen vom Alltag, von der Radikalisierung, von der Liebe und vom Hass für das nicht bestehende Heimatland. Von den guten und üblen Seiten der Besatzung.

 

Wer’s eher sanft mag, ohne die politischen Realitäten auszublenden, der wird lange an Palestine zu nagen haben.

 

 

Haddad, Hubert: Palestine. Zulma, 2007

 

 

 

 

Ein wütendes, manchmal zu wütendes Buch. Mohamed Al-Rantissi arbeitet als Arzt im Gaza – Streifen. Doch nicht der Arzt, sondern der Bruder erzählt: Der Bruder des 2004 von Israel getöteten Hamas – Führers Abelaziz Al-Rantissi, auch er ein Arzt. Zwar schiesst Al-Rantissi teils weit übers Ziel hinaus mit seinem “Survivre à Gaza”, will zum Beispiel nichts wissen vom Existenzrecht Israels, da Israel seinerseits keinen palästinensischen Staat entstehen lasse. Und dennoch, die Lektüre lohnt sich: Nur selten werden die Gedanken eines palästinensischen Aktivisten aus dem Arabischen übersetzt. Und noch seltener lesen sich Geschichten vom Werdegang einer Familie unter israelischer Besatzung. Erklärungen für vieles, aber längst keine Rechtfertigung für einiges.

 

 

 

Al-Rantissi, Mohamed: Survivre à Gaza. Koutoubia – Verlag, 2009