Dan Gillerman ist nicht bekannt für seine dezente Wortwahl. Im Gegenteil: UN-Diplomatisch sprach der israelische Botschafter am Uno-Sitz in New York von einem „bigot“, einem „Fanatiker“. Im Visier hatte der Repräsentant Israels nicht etwa einen Hamas- oder Hesb’allah – Mann. Nein, der Botschafter attackierte Jimmy Carter, seines Zeichens ehemaliger US-Präsident und Friedensnobelpreisträger. Der „Fanatiker“ Carter sei – so der israelische Botschafter - mit „schmutzigen Händen in den Nahen Osten gereist“. Zurück komme er allerdings „mit blutigen Händen, nachdem er Khaled Meschal, dem Führer der Hamas, die Hand gereicht hat.“

 

Dan ist der Mann fürs Grobe. Oder wie’s der israelische Schriftsteller David Grossman sieht, Israel habe sich eine neue Sprache gegeben. Eine Sprache, um die Realität zu verbergen.

 

 

In der Praxis hört sich das so an:

 

- Irans Präsident Ahmadinejad, der neue Hitler – in Israel ein stehender Begriff, der nicht mehr hinterfragt wird

 

- "Judäa und Samaria": kaum noch ein Journalist spricht vom besetzten Westjordanland. Sind die entsprechenden UN-Resolutionen samt und sonders in Vergessenheit geraten - oder ist’s zu unbequem, sich auf die häufig aggressiven, Kettenbrief-Aktionen ähnlichen konzertierten Reaktionen einzulassen? Oder gar beides?

 

- „Der 3.Weltkrieg ist noch nicht zu Ende für Israel“, schreibt am 30.12.2007 die israelische Tageszeitung „Maariv“. Und so kommt es, dass im Nachgang zu den Terror-Anschlägen von 9/11 ausnahmslos jeder palästinensische Anschlag oder Angriff auf Israel und Israeli automatisch als Terrorismus bezeichnet wird. Und zwar unabhängig davon, ob Zivilisten oder Militärs in Mitleidenschaft geraten. Dafür, für Anschlag und Angriff, gibt es keine Entschuldigung – ebenso wenig für den permanent auf die Palästinenser angewandten Begriff des Terroristen. Und: kennen Sie einen Journalisten, der noch Journalist ist, nachdem er von israelischem Terror gesprochen oder geschrieben hätte?

 

Ein Blick auf die israelischen SMS-Dienste von Polizei, Militär und einen privaten Dienst gefällig: 

 

- „Police seem to feel shooting attack was terror attack from Pals from Tul Karem“

- “Terrorists have entered Terminal by Nachal unconfirmed 2 Israeli reported killed”

- “IDF soldier killed in IDF fence defensive operation against terror infrastructure in S.Gaza”

- “Shin Bet chief says 1.000 terrorists killed in Gaza since 2005” 

 

Oder dann gesehen am vergangenen Freitag:

 

“2 Civilians killed in Nitzanei Shalom industrial zone”. Civilians? Uniformierte bewaffnete Sicherheitsleute wurden getötet, was den Anschlag – wie jeden Anschlag – nicht einmal ansatzweise rechtfertigt. Grundsätzlich gilt: ein bewaffneter Sicherheitsmann, der im Staatsauftrag tätig ist, ist gemäss humanitärem Völkerrecht kein Zivilist. So ernüchternd das auch tönen mag: Töten und getötet werden ist für an Kampfhandlungen teilnehmende Kombattanten, sofern sie nicht Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, nicht strafbar. Bitter, keine Frage. Aber Rechtens kann manchmal sein, was falsch ist. ***

 

Auch palästinensische Politiker und Hetzer legen ihre Worte selten auf die Goldwaage. Die Propaganda nimmt teils menschenverachtende Formen an, die zu Recht angeprangert werden. Es gibt keine Entschuldigung für extremistische palästinensische Propaganda, ebensowenig für israelische Hass-Tiraden. Wobei: westlichen – von den israelischen und amerikanischen Journalisten ganz zu schweigen – Medienleuten fällt es wesentlich einfacher, hier die nötige Distanz zu wahren. Oder lesen und sehen Sie je Hamas-Vertreter, dargestellt ohne relativierende, abgrenzende Worte der Medienschaffenden?

 

Journalistische Grundregeln, wie sie eigentlich selbstverständlich sein sollten, gelten halt nicht für alle Beteiligten gleichermassen.

 

CNN Europe führte während des libanesisch – israelischen Krieges vom Sommer 2006 ein Interview mit Seltenheitswert; so selten, dass die israelische Pressesprecherin jetzt nicht mehr Pressesprecherin ist (aus persönlich – familiären Gründen) und CNN USA das Gespräch gar nicht erst ausgestrahlt hat. Im Gegenzug verfügt CNN seit 2006 über eine Sprachregelung, in der etwa die illegale Siedlung Gilo im Osten Jerusalems als „neighbourhood“ bezeichnet wird.

 

Die ARD zeigt zur Zeit einen Trailer für die anstehende Berichterstattung zu den 60 Jahrfeiern anlässlich der Gründung Israels, auf der viel viel israelischer Jubel und wenig wenig Palästinenser zu sehen sind – al-Nakba (die Katastrophe), wie die Palästinenser die Staatsgründung bezeichnen, wird mit Steine Werfenden und vermummten Kämpfern aus Gaza dargestellt.

 

Worte sind wie Steine, sagte der jüdische Schriftsteller Carlo Levi.

 

Wird Zeit, den Steine-Regen etwas zu ordnen.

 

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***Nachtrag, drei Tage nach der Schiesserei:

"Security officials are examining the possibility that Friday's shooting attack at the Nitzanei Oz industrial zone, in which two Israeli civilians were killed, was carried out by a disgruntled former employee at one of the factories there.  Several Palestinian groups have claimed responsibility for the attack, but so far there has been no evidence linking any of the groups to the shooting." (Haaretz, 30-04-2008)

 

Die israelische Sprachregelung