Yasser, viel Glück beim Überleben
Yasser hat’s erwischt. Schwer erwischt. Auf der Strasse lief er neben seinem Vater, und dann hat’s gekracht: Weil Yasser halt nicht in Stuttgart oder Zürich wohnt, war’s eben eine Kugel, die in seinem sechsten Halswirbel stecken blieb. Seither ist der Elfjährige Tetraplegiker, hängt am Beatmungsgerät. Eine von vielen typischen Geschichten aus Gaza.
Yassers Atemorgane sind gelähmt, ohne das Beatmungsgerät kann der Junge nicht überleben. Also hängt er die ersten Wochen im Notfall-Raum des „Schiffa-Krankenhaus“ in Gaza an solch’ einer Maschine. Doch das Gerät wird anderweitig gebraucht, also wird Yasser ins nächste Krankenhaus verlegt. Doch auch hier gilt: Beatmungsmaschinen sind rar im Gaza-Streifen. Wird das lebenserhaltende Gerät für Akutfälle benötigt, kann dies Yassers Todesurteil bedeuten. Yasser wartet auf den Tod.
Doch es gibt ein paar gute Menschen auf der Welt.
Das Problem war bloss sie zu finden.
Ein Jahr nach Yassers Verletzung haben sich nun zwei Nicht-Regierungsorganisationen NGO’s gefunden, die ein Beatmungsgerät für Yasser finanzieren mochten. Sollte die längere Suche für einmal tatsächlich zum Happy End in Gaza führen?
Yasser wird sagen: Ja. Ich sage: Na ja.
Bis das Geld für das lebenserhaltende Gerät zusammen kam, war Erstaunliches zu hören. Dinge, die mit Yasser nichts, mit dem Selbstverständnis der Hilfswerke indes sehr viel zu tun haben: Man würde ja schon gerne, aber Gaza, ja Gaza, das sei halt ein schwieriger Fall. Denn bei Spenden für Gaza würden wohl Donors, Spender, aus den USA abspringen; „Sie wissen schon, Gaza und die Hamas, der amerikanisch-israelische Boykott...“.
Wenn du das einmal hörst, gehen dir Begriffe wie „Zivilcourage“, „Kneiffer“ oder "politisches Rückgrad" durch den Kopf. Wenn dieses Argument aber gleich von mehreren Hilfswerken kommt, also von den „Tue-Gutes-Mit-Deinem-Spendengeld“-Leuten, ja dann heisst das wohl: Die US-israelische Gaza-Blockade hat das Denken der Gut-Menschen längst erreicht. Effektiver geht’s nimmer – Mission accomplished, dear boycotters.
Und so übt sich auch das IKRK, der Rolls Royce der humanitären Organisationen, in nobler Zurückhaltung, wenn’s um den Transport des finanzierten und bereitstehenden Beatmungsgeräts nach Gaza geht. Man könne sich nicht um Einzelfälle kümmern. Tja.
Zum Glück gibt’s Leute, die zupacken: Mahmoud von der Weltgesundheitsbehörde WHO in Gaza versuchte sich in tagelanger Koordination mit den israelischen Sicherheitsbehörden. Und siehe da: Nach stundenlangem hin und her am Checkpoint ist das Gerät nun in Gaza, bei Yasser.
Abends, auf der Fahrt vom Gaza-Streifen zurück dann im Radio die Meldung: Israels Premier Olmert bedauert den Tod von vier Kindern, Salah (4), Hanaa (3), Rudeynah (6) und dem 18 Monate alten Musad sowie deren Mutter. Die Familie war im Norden des Gaza-Streifens in ihrem Haus ausgelöscht worden. Schuld am Tod der Familie sei Hamas, sagt Olmert. Denn ein „Terrorist“ sei getroffen und dessen Sprengstoffladung explodiert; die Palästinenser sagen, ein israelisches Panzergeschoss habe das Haus der Familie in Beit Hanoun getroffen.
Yasser wird wohl in ein paar Wochen mit seinem Beatmungsgerät ausgestattet nach Hause können – nach Beit Hanoun.
Viel Glück beim Überleben, Yasser.
Die Menschenrechts-Organisatio n Huma [...]